Marillier, Juliet

Juliet Marillier wurde in Neuseeland geboren und wuchs in Australien auf. Bereits seit frühester Kindheit liebte sie die irische Geschichte und keltische Musik. In ihren Büchern widmet sie sich gerne keltischer Sagen und Lebensart. Schon ihr erster Roman, "Die Tochter der Wälder", wurde zum internationalen Bestseller. Heute lebt sie mit ihrem Mann, zwei Hunden und einer Katze in der Nähe von Perth. Sie ist die Mutter von vier erwachsenen Kindern. 

Die Priesterin der Insel
Juliet Marillier
Gebundene Ausgabe - 719 Seiten
Knaur, München
Erscheinungsdatum: September 2003
ISBN: 3-426661-33-0
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Die Priesterin der Insel

Norwegen, im 9. Jahrhundert n. Chr. Die zwei vollkommen verschiedenen Freunde Eyvind und Somerled schließen Blutsbrüderschaft. Dieses Band ist stärker als echte Verwandtschaft und verpflichtet ein Leben lang zur gegenseitigen Treue. Beide Jungen haben Träume. Der geradlinige und gutmütige Eyvind will nichts mehr, als ein Wolfskrieger zu werden und für den Jarl zu kämpfen. Somerled dagegen, verschlossen und höchst intelligent, will König werden und dieses Ziel wird er mit allen Mitteln verfolgen.
Zur selben Zeit wächst auf den fernen Orkney-Inseln das Mädchen Nessa auf. Sie wird zur Priesterin ausgebildet und kennt ihre Bestimmung: ihrem Volk im Einklang mit der Natur zu dienen und damit ihre Welt zu erhalten.

Diese drei jungen Menschen treffen Jahre später aufeinander, als Somerleds Bruder Ulf eine Expedition auf die Orkneys unternimmt. Er will dort im Frieden mit den bisherigen Einwohnern siedeln, was ihm vom König der Orkneys auch gestattet wird. Nur Nessa spürt sofort, dass die Fremden Unheil bringen und so soll es auch kommen. 
Der friedliebende Ulf wird ermordet. Nun ernennt sich Somerled zum König über Orkney – und diesem Königtum stehen die bisherigen Einwohner mit ihrem eigenen König entgegen. Für Somerled gibt es nur einen Weg: Krieg.
Von nun an werden die Bewohner der Orkneys überfallen und ermordet. Eyvind, der Somerleds erster Wolfskrieger geworden ist, kann dieses Gemetzel nicht mehr ertragen und flieht sein eigenes Volk. In einem verbotenen Bereich versteckt er sich und wird von Nessa gefunden und gepflegt. Durch sie erkennt er, dass es mehr als einen Weg gibt. Jetzt muss er sich entscheiden: soll er sich seinem Blutsbruder entgegenstellen und damit seinen Schwur brechen oder soll er für Frieden, Wahrheit und Gerechtigkeit kämpfen?

„Die Priesterin der Insel“ hat sicherlich kein neues Thema. Es geht um Liebe, Freundschaft, Treue und Verrat. Angesiedelt ist das ganze in der Zeit der Wikingerüberfälle, verbunden mit tiefem Glauben an die Wikingergötter einerseits und andererseits der alten Religion, die um Ausgleich und Frieden bemüht ist. Hier stehen Gut und Böse gegeneinander, wie man es so oft in Geschichten findet, in denen ein kriegerisches Volk auf Ureinwohner trifft. Zum Glück wird dieses Klischee nicht zu sehr bemüht, denn unter den Wikingern gibt es viele, die ehrlich und hilfsbereit sind; andere, die durch Somerleds verdrehte Anschauung der Wahrheit seinen Befehlen folgen und Männer, die in vollem Bewusstsein Böses tun. Die Fronten sind also nicht starr gezogen, vielmehr werden die Charaktere verschiedenster Menschen nachvollziehbar beschrieben und auch auf Konflikte zwischen Ehre und Befehlsgehorsam eingegangen.

Aufwühlend und mitreißend wird erzählt, wie ein Inselvolk um sein Überleben kämpft. Was ich sehr gelungen fand, war Eyvinds verzweifelter Versuch, seinen früheren Kampfgefährten klar zu machen, dass sie unter Somerleds Befehl den falschen Weg gehen – und im Gegenzug Somerleds (der bei weitem redegewandter ist) Behauptung, der „bedauernswerte“ Eyvind sei verblendet und von den Hexen der Orkneys verwirrt worden und wisse nicht, was er redet. Bis zum Ende spricht Eyvind nichts als die Wahrheit und doch kann Somerled diese nach seinem Willen verdrehen. Man muss nicht immer der bessere Schwertkämpfer sein, um einen Kampf zu gewinnen.

Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass Somerleds Charakter tiefgreifender beschrieben worden wäre. Selbst am Ende blieben noch Fragen offen. Was geschah in seiner Kindheit, dass er seinen Bruder so sehr hasste? Oder geschah tatsächlich nicht mehr, als dass sein Bruder ihn nicht liebte? Hatte Somerled von Anfang an geplant, Eyvind auszunutzen und ihn deshalb zur Blutsbrüderschaft gedrängt? Somerled ist ein sehr interessanter, diffiziler Charakter und gerade deshalb etwas zu kurz gekommen. Ich wäre gerne tiefer in seine Seele vorgedrungen.

Alles in allem ist die Geschichte nicht vollkommen neu (Wo findet man bei der Fülle der bereits erschienen Bücher noch wirklich Neues?), aber sehr gut geschrieben. Juliet Marillier versteht es, den Leser in den Bann zu ziehen und scheut auch nicht davor zurück, schreckliches Unheil und große Gefühle zu beschreiben. Damit versteht sie aufzuwühlen und zu fesseln. Ich konnte das Buch kaum weglegen. Die Annäherung an die Magie der Inseln war interessant und schön zu lesen. Ich empfehle „Die Priesterin der Insel“ als spannenden, fesselnden und anrührenden Roman gerne weiter. 

© Karin Sittenauer
 

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