Die Seelenpest
Jürgen Seidel
Gebundene Ausgabe
- Beltz
Erscheinungsdatum:
Februar 2004
ISBN: 3407809212
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Die Seelenpest
London 1521: Obwohl
Andrews Vater arm ist, darf der Siebzehnjährige als besonders begabter
Schüler die angesehenste Schule der Stadt, New Inn, besuchen. Ausgerechnet
er, dessen Vater ein Säufer ist, verliebt sich in Margaret, die Tochter
von Sir Thomas Morland, dem Unterschatzkanzler des Königs. Und er
hat auch noch beobachtet, wie der Lehrer Clifford außerhalb der Schule
mit einem Schüler zusammen war, der kurz darauf tot aufgefunden wurde.
Kein Wunder also, dass er sowohl bei Sir Thomas als auch bei Clifford nicht
gerade beliebt ist.
Zu Beginn des Buches
gab es bereits acht Todesfälle von Schülern und alle hinterlassen
Abschiedsbriefe, in denen sie ihren Selbstmord begründen: Gott hat
sie verlassen und ohne diesen Glauben und Gottes Beistand können sie
nicht weiterleben.
Die Todesfälle
mehren sich, schon beinahe jeden Tag bringen sich mehr Schüler um.
Andrew und seine drei Freunde Gregor, Search und Charles glauben nicht
wirklich an diese Selbstmordtheorie. Was ist mit Aron, dem bösartigen
Patenonkel von Gregor? Plötzlich taucht er überall auf und hält
beängstigende Reden. Auch Charles stellt er nach, spricht mit ihm
über die Unreinheit des Körpers und dass zu Gott die Seele, zum
Teufel aber der Körper gehört… Mit solchen Reden und der Angst,
die jetzt überall umgeht, werden die Leute der Stadt eingeschüchtert.
Die sogenannte Seelenpest ist ausgebrochen, eine Antiatheismuskommission
wird gegründet, um die Fälle aufzuklären. Sterben die Schüler
wirklich, weil Gott sie verlassen hat oder steckt mehr dahinter? Vielleicht
sogar Mord? Was wissen der Lehrer Clifford oder Sir Thomas, der unheimliche
Aron Boggis und sogar der König selbst?
Unter diesen Umständen
kommt es Sir Thomas und Clifford gerade Recht, den zu intelligenten und
neugierigen Schüler Andrew zu verdächtigen, bis dieser wegen
Mordverdachts fliehen muss.
Jürgen Seidel
hat mit „Die Seelenpest“ einen historisch fiktiven Roman geschrieben, der
sowohl informativ als auch spannend ist. So ganz nebenbei wird einem das
Leben im 16. Jahrhundert vermittelt: Gestank und Wohlgerüche, Gottesfurcht
und Zweifel an Gottes Existenz, der Gegensatz von Arm und Reich, Essensgewohnheiten
und Gewürze … Man kann sich förmlich in das Leben hineindenken
und sich plastisch die Umgebung, in der diese Todesfälle geschehen,
vorstellen.
Ich persönlich
brauchte etwa siebzig Seiten, um wirklich in die Handlung gezogen zu werden.
Es kommen einige Charaktere vor, aus deren Sicht kurze Kapitel geschrieben
sind. Das riss mich gerade zu Beginn etwas aus der Spannung, weil man sich
im Grunde am meisten mit Andrew identifiziert und mit ihm mitfiebert. Da
erschien es mir weniger wichtig, dass Sir Thomas’ Diener Raspale vom Fliegen
träumt – auch wenn dieser Wunsch immer wieder aufzeigt, wie schnell
ein Mensch als Ketzer verdammt werden könnte, wenn er keinen einflussreichen
Fürsprecher hat.
Wenn man aber erst
mal in die Handlung gezogen wurde, stören diese kleinen Zwischenkapitel
nicht mehr, auch die häufig gleichen Satzanfänge akzeptiert man
schließlich und das Buch liest sich flüssig, spannend und interessant.
Ein historischer Kriminalroman, der einem erstaunlich deutlich klarmacht,
wie wichtig in dieser Zeit der Glaube und wie unerhört gewagt der
Atheismus war.
Für ältere
Jugendliche und ebenso Erwachsene ein spannendes und empfehlenswertes Buch.
© Karin Sittenauer,
2004
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