Silberflügel
Kenneth Oppel
Broschiert - Beltz
Erscheinungsdatum:
Dezember 2004
ISBN: 3407786816
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Silberflügel
Noch lebt Schatten
mit den anderen jungen Fledermäusen und ihrer Mütter im Baumhort,
doch schon in vier Tagen wollen sie sich aufmachen, um die Männchen
zu treffen und gemeinsam nach Süden zu fliegen. Dort, in Hibernaculum,
überwintert die gesamte Kolonie der Silberflügel in einer Höhle.
Ein wenig fürchtet sich Schatten vor dieser langen Reise, denn er
ist der kleinste und schwächste der Jungtiere. Was, wenn er auf dem
Flug nicht mitkommt und die anderen wegen ihm langsamer fliegen müssen?
Das ist eine schreckliche Vorstellung. Wieso nur ist er nicht so groß
und kräftig wie Chinook, der Freunde hat und bewundert wird? Nun gut,
dafür ist Chinook nicht besonders schlau – Schatten dagegen interessiert
sich für alles. Vor allem will er die Sonne sehen. Das ist den Fledermäusen
streng verboten. Beim Blick in die Sonne erblinden sie oder vielleicht
verbrennen sie sogar. Schauermärchen, um die Jungtiere zu schrecken.
Von so etwas lässt Schatten sich nicht abhalten, wartet ab, blickt
in die Sonne und schon wird er von einer Eule gejagt und schafft es mit
Hilfe seiner Mutter gerade noch zurück in den Baumhort.
Dort herrscht wegen
seiner Tat große Aufregung. Wie konnte er nur das Gesetz brechen?
Den Fledermäusen ist es verboten, die Sonne zu sehen, am Tag zu fliegen.
Die anderen Tiere verwehren es ihnen, wegen eines Krieges, der vor Millionen
von Jahren herrschte. So kommen schon in der nächsten Nacht die Eulen
und fordern, dass ihnen das Jungtier ausgeliefert wird, das die Sonne gesehen
hat. Doch Frieda, die Älteste im Baumhort, gibt nicht nach. Als Strafe
erklären die Eulen den Krieg und brennen den Baumhort nieder. Seit
Jahrtausenden zogen dort die Mütter ihre Jungen auf und nun ist die
Brutstatt für immer verloren. Dadurch wird der kleine Schatten nicht
gerade beliebter. Als sie in der gleichen Nacht aufbrechen, um die Männchen
zu treffen und nach Hibernaculum zu fliegen, kommt ein Sturm auf, weht
Schatten aufs Meer hinaus und trennt ihn von seiner Mutter und der ganzen
Kolonie. Jetzt muss er seinen Weg alleine finden. Dabei wächst in
ihm die Überzeugung, dass das alte Gesetz abgeschafft werden muss,
dass er selbst dafür sorgen muss, dass die Fledermäuse wieder
den Tag sehen dürfen. Dann würde man ihn bewundern und nicht
mehr hassen. Doch auf seiner Reise trifft er die Riesenfledermäuse
Throbb und Goth, eine verhängnisvolle Bekanntschaft, durch die Schattens
gesamte Kolonie und alle anderen Fledermäuse des Nordens bedroht sind
…
Im Grunde genommen
hat „Silberflügel“ eine gängige Grundidee: Ein schwacher, nicht
anerkannter Junge will über sich hinauswachsen und von allen bewundert
werden, gerät durch ein Missgeschick in Abenteuer, muss diese auf
Reisen bestehen und über sich selbst und seine vermeintlich geringen
Möglichkeiten hinauswachsen. Solche Geschichten gibt es viele. Trotzdem
ist dieser Roman absolut lesenswert. Vom ersten Kapitel an ist er spannend
und man kann sich in Schatten gut hineinversetzen. Diese Fledermaus unterscheidet
sich nicht viel von menschlichen Helden. Er sehnt sich nach Anerkennung
und gleichzeitig nach der Sicherheit in der Nähe seiner Mutter. Auf
Reisen lernt er eine Freundin und andere Helfer kennen. Die Tatsache, dass
die Helden Fledermäuse sind, eröffnet vollkommen neue Perspektiven.
Der Autor führt einen an das Klangsehen heran, stellt verschiedene
Fledermausarten vor, lässt einen die Angst der kleinen Tiere vor Eulen,
Tauben und Ratten spüren und zugleich die Nahrungsgewohnheiten der
Tiere kennenlernen. Es ist angenehm anders, eine Abenteuergeschichte aus
der Sicht dieser faszinierenden Tiere zu erleben. Faszinierend geschildert
wird die Bandbreite des Gehörs. Die Vorstellung, dass Echos Jahrtausendelang
weiterschwingen, ist bemerkenswert.
Einzig ein Bild verwirrte
mich: sollen die Fledermäuse von einer Sonnenfinsternis erlöst
werden? Es ist kaum annehmbar, dass in ihrem Lebensraum in Millionen Jahren
keine vollkommene Sonnenfinsternis zu sehen gewesen sein soll. Aber dieses
Rätsel wird sicher noch in einer der Fortsetzungen gelöst, schließlich
ist „Silberflügel“ der erste Band einer Trilogie.
Der 342seitige Roman
hätte ruhig ein wenig dicker sein dürfen. Ich freue mich auf
die Nachfolgebände, in denen Schattens Abenteuer fortgeführt
werden.
© Karin Sittenauer,
2005
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