Sommer auf der
Schattenseite
William Kowalski
Gebundene Ausgabe
- Lübbe
Erscheinungsdatum:
September 2004
ISBN: 3785721560
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Sommer auf der Schattenseite
Haley Bombauer lebt
mir ihrer Mutter auf einer Farm in der Nähe der beschaulichen Kleinstadt
Mannville. Das Leben in dem kleinen Dorf – von ihrer Farm aus sieht Haley
gerade mal drei Nachbarshäuser – verläuft ruhig, für ein
siebzehnjähriges Mädchen viel zu ruhig. Schließlich hasst
Haley Teekränzchen oder Häkeln und Quiltnähen. Stattdessen
macht sie mitternächtliche Ritte auf ihrem Pferd und klettert auf
Bäume und alles andere, das hoch genug ist, um gefährlich und
spannend zu sein.
Als sie einen Tag vor
ihrem siebzehnten Geburtstag auf die alte Scheune klettert, vom mindestens
fünfzehn Meter hohen Dach aus Mannville und sogar den Eriesee sehen
kann, gibt das Dach unter ihr nach und sie stürzt, was ihr ein dreifach
gebrochenes Bein einbringt und noch viel schlimmer: einen Sommer zu Hause,
ohne Ausritte, mit einem Gips zur Untätigkeit verdonnert. Gerade dieser
Sommer aber, der auf den ersten Blick träge zu werden verspricht,
wird zu einem Wendepunkt in Haleys Leben.
Die neue Nachbarin
Elizabeth Powell ist so anders und dadurch faszinierend, dass Haley sogar
freiwillig zu ihr zum Teetrinken humpelt (als sie endlich wieder humpeln
kann), Haleys Großmutter ist mehr als nur eine verschrobene „Hexe“
und auch Frankie, der Nachbarsjunge, der von einigen nur als verrückt
bezeichnet wird, hat mehr im Kopf, als mancher denkt. Vor allem ist Frankie
ein sehr guter Freund, mit dem Haley über alles reden kann, auch wenn
er es nicht immer versteht. Als sie ihn verliert, gerät ihr Leben
endgültig aus dem Gleichgewicht und Haley muss ihren eigenen Weg finden,
der (wie könnte es anders sein) äußerst ungewöhnlich
ist.
Auf „Sommer auf der
Schattenseite“ von William Kowalski bin ich eher zufällig gestoßen
und hatte keine bestimmte Vorstellung davon, was mich erwartet. Jetzt,
nach zweimaligem Lesen, kann ich sagen, dass es ein absoluter Glückgriff
war. Schon die ersten Seiten sind so locker und humorvoll geschrieben,
dass es eine Freude ist, weiterzulesen. Natürlich, Haley erlebt einen
schweren Sommer, doch die Art, wie das beschrieben ist, ihre locker-flockigen
Gedankengänge, die amüsant und interessant eingestreuten Rückblicke,
machen es zu einem Lesegenuss. Man fühlt sich, als säße
man daneben und würde ebenso innerlich die Augen verdrehen, weil die
Mutter langweiligen Smalltalk mit der Nachbarin betreibt und hinterher
ist man genauso froh, dass die Nachbarin nicht wie die Mutter ist, sondern
innerlich frei.
Hier gibt es kein Trauerspiel,
kein Ersticken in Selbstmitleid. Die Hauptperson des Romans geht vorwärts
(trotz Gips) und als Leser wird man mitgenommen. Ein Abschied bedeutet
einen Neuanfang und ein außergewöhnliches Leben ist genauso
in Ordnung wie ein der Gesellschaft konformes. Haley findet sich in diesem
Buch selbst, lässt zurück, was nicht zu ihr gehört und wird
darüber reifer – was sie allerdings nicht daran hindert, in den Nachbarsjungen
verliebt zu sein, doch selbst über diese Liebe kann und wird sie sich
entscheiden.
Ein Buch, das zwar
ein Roman ist, zugleich aber auch mehr als das, weil es Mut zur Einzigartigkeit
macht, mit einer glaubhaften, anrührenden Identifikation mit den Gedanken,
Abneigungen und Vorlieben von Haley.
Wunderschön geschrieben,
lustig, anrührend, keinen Augenblick langweilig. Es kommt selten vor,
dass ich ein Buch nach dem Auslesen gleich wieder von vorne beginnen will.
Bei diesem Roman war dies der Fall.
© Karin Sittenauer,
2005
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