Im Drachenturm
Patricia A. McKillip
Broschiert - 317 Seiten
Blanvalet
Erscheinungsdatum:
November 2005
ISBN: 3442243718
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Im Drachenturm
Am Hof von Gloinmere
erwartet Regis Aurum, der König, seine zukünftige Gemahlin, Gwynne
von Skye. Als sie eintrifft, jubeln alle ihr zu, nur Cyan Dag, des Königs
bester Ritter, wird von dem Blick einer alten Frau festgehalten, der Bardin
von Skye. Später mahnt sie Cyan, die Braut genau anzusehen, denn er
hätte sehende Augen, würde die Wahrheit erkennen, wenn er sie
tanzen sieht. Die ganze erste Nacht der dreitägigen Hochzeitsfeier
wartet er, doch Gwynne von Skye tanzt nicht und der König ist ihr
bereits verfallen. Wie soll Cyan ihm sagen, dass seine Braut ein Monster
ist und ist sie das wirklich?
Erst am zweiten Tag,
als die Hochzeit vollzogen ist, tanzt die neue Königin und Cyan sieht
die sechsten Finger an ihren Händen, die unmenschlich lidlosen Augen
und die Fischschuppen an ihren Füßen. Wie soll er dies ohne
für alle sichtbaren Beweisen seinem König sagen? Dieser liebt
die falsche Königin.
Die wahre Gwynne ist
auf Skye in einem Turm gefangen, kann die Welt nur durch einen Spiegel
sehen und darf nicht einmal aus dem Fenster schauen, ohne dafür zu
sterben. Würde Cyan sie aus dem Turm befreien, so würde er ihr
nur den Tod bringen. Trotzdem verlässt er überstürzt Gloinmere,
macht sich auf den Weg nach Skye, um diesen Turm mit der stickenden Frau
zu finden, sie zu befreien und den König vor der falschen Gemahlin
zu bewahren.
Die Insel Skye ist
ein wundersames, magisches Land, Nebel und Sagen, Fabelwesen und Lieder
kommen von dort. Der König von Skye, Gwynnes Vater, sucht mit einem
Fernrohr nach Drachen. Es gibt mehrere Türme, einen dunklen Turm voller
Träume und Questen, einen am Meer, in dem Melanthos stickt und einen
mit einem Drachen, nach dem Thynne Ysse sucht, um mit dem Drachengold eine
Armee aufzustellen und die Nordinseln von Regis Aurums siebenjähriger
Fremdherrschaft zu befreien. Cyans und Thynnes Wege kreuzen sich ebenso
wie ihre Schwerter. Ihre Schicksale sind miteinander verwoben, auch wenn
sie einst auf dem Schlachtfeld Feinde waren.
Das Cover von „Im Drachenturm“
ist kitschig, der deutsche Titel auch. Der Originaltitel „The Tower at
Stony Wood“ wäre passend, würde einen zentralen Punkt der Erzählung
herausnehmen und durch den darin enthaltenen Spiegel die Verbindung schaffen,
so wie er es in der Geschichte auch tut. Doch im Deutschen muss wohl das
Wort Drachen enthalten sein, um dem Verlag verkaufbar zu scheinen. Die
Ankündigung von einem kühnen Recken und seiner Pflichterfüllung
im Buchrückentext verspricht triviale Lektüre und schreckt eher
ab als dass es gewinnend wirken würde.
Ließt man trotzdem
die ersten Seiten, das erste kurze Kapitel, ist alle äußere
Aufmachung vergessen. Patricia McKillip hat eine sehr bildhafte Art zu
schreiben und die Fähigkeit, beim Leser schnell, sehr schnell Sympathie
für die handelnden Personen aufzubauen. Schon in Kapitel 2 (und die
Kapitel sind wirklich kurz), mochte ich Cyan Dag, fühlte seine Zweifel
und seine Sorgen. Wunderbar sind ebenso die Kapitel, die aus anderer Sicht
erzählt werden. Melanthos, die Tochter der Bäckerin des Steinwaldes
oder Thynne Ysse, der Sohn, dessen königlicher Vater nach dem Krieg
gegen Regis Aurum vor sieben Jahren nicht mehr klar denken kann und meist
nicht einmal seinen Sohn erkennt, auch Sel, die Bäckerin vom Steinwald
sind wunderbare Charaktere, vielschichtig und glaubwürdig.
Was in diesem Buch
vor allem fesselt ist der bildhafte, feinfühlende Sprachstil, in dem
Begebenheiten, Gefühle und Umgebung geschildert werden. Ein Genuss.
Magie ist überall fühlbar und hat es nicht nötig, erklärt
zu werden.
Wer bereit ist, sich
auf ein Buch ohne klassischer Gut-Böse-Handlung einzulassen, sich
verzaubern lassen will, wird dieses Buch genießen und es gerne immer
wieder zur Hand nehmen. Wer nach Schwertkämpfen und monumentalen Schlachten
sucht, sollte die Finger davon lassen.
Ich persönlich
mochte das Licht, den Klang, die Magie dieses Buches. Es enthält alles,
was ein guter Roman braucht und noch ein wenig mehr.
© Karin Sittenauer,
2006
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