Die Gräber
von Atuan
Ursula K. LeGuin
Gebundene Ausgabe
- 192 Seiten
Carlsen
Erscheinungsdatum:
Juli 2002
ISBN: 3551580898
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„Die Gräber von
Atuan“
ist der zweite Band
des Erdsee-Zyklus, den man auch ohne Kenntnis des ersten Bandes lesen kann.
Die erste Priesterin
von Atuan ist gestorben. So wird im ganzen Land nach dem einen Mädchen
gesucht, das am selben Tag geboren worden ist. In Tenar finden sie dieses
Kind, das im Alter von fünf Jahren als wiedergeborene erste Priesterin
von ihren Eltern fort zum Tempel gebracht wird. Mit sechs Jahren nimmt
man ihr den Namen und weiht sie in einem Ritual zur Arha, der Verzehrten,
der ersten Priestern, die seit Tausenden von Jahren den Namenlosen dient.
Von nun an wird sie
von zwei Priesterinnen ausgebildet, erfährt nach und nach, was die
erste Priesterin wissen muss, übernimmt im Laufe der Jahre immer mehr
Aufgaben und erfährt zum Schluss, wie sie sich in den unterirdischen
Gräbern und im Labyrinth zurechtfinden kann – den heiligsten Orten
ihres Ordens. Männer können diese Orte nicht betreten, ebenso
wenig wie den Tempel der Namenlosen.
Und doch entdeckt Arha
eines Tages in den Gräbern einen Mann und er wird nicht von den Namenlosen
verschlungen. Als er Arha sieht, flieht er in das Labyrinth. Arha schließt
die Tür, er ist gefangen. Ein paar Tage beobachtet sie ihn durch verborgene
Gucklöcher. Der Mann erzeugt in dem Reich der Dunkelheit ein magisches
Licht, er muss ein Zauberer sein, von denen in vergangenen Jahrhunderten
immer wieder welche nach Atuan kamen, um die eine Hälfte von Erreth-Akbes
Ring zu stehlen, die in der verborgenen Schatzkammer liegt.
Neugierig geworden
geht Arha ins Labyrinth, gibt dem halb verdursteten Magier – der erste
Mann, den sie je sah – zu trinken und spricht mit ihm, lässt sich
von ihm von der Welt erzählen, von der sie nichts gesehen hat. Der
Mann ist Sperber, der auf der Suche nach der Rune des Friedens ist. Arha
lässt ihn am Leben, obwohl er die heiligen Stätten entweiht hat.
Doch Kessil, die oberste Priesterin des Gottkönigs, verlangt seinen
Tod. Kessel ist mächtiger als Arha, denn der Gottkönig hat Priester
und Krieger, Arha nur ein paar Frauen und Eunuchen um sich. Von nun an
muss Arha auch um ihr eigenes Leben fürchten. Nur wenn sie Sperber/Ged
den Göttern opfert, kann sie sich mit Kessil versöhnen. Auch
die Namenlosen sind über den eindringlich und ihre erste Priesterin
zornig.
Anders als in Band
1 ist in „Die Gräber von Atuan“ nicht Ged die Hauptperson. Die Geschichte
wird aus Sicht von Arha beschrieben, einer jungen Frau, die wenig vom Leben
weiß. Ihr wurde nur beigebracht, was die erste Priesterin der Namenlosen
Götter wissen muss. Sie kennt Rituale, Dunkelheit, Menschenopfer,
Alleinsein und das unterirdische Labyrinth. Als wiedergeborene erste Priesterin
ist sie etwas Besonderes. Naive Ahnungslosigkeit, vereint mit teilweise
grausamer Eitelkeit machen es ihr schwer, Geds Worten zu glauben. Für
sie ist er ein Aufschneider, wenn er von Drachen und fernen Städten
erzählt. Das alles sind nur Geschichten und er nur ein Dieb.
Im Laufe des Buches
macht Arha eine nachvollziehbare Entwicklung durch. Sie beginnt zuzuhören
und eigene Entscheidungen zu treffen, obwohl diese ihrem Kult widersprechen.
Am Ende muss sie die bitteren Konsequenzen tragen, die denkerische Freiheit
mit sich bringen und doch bereut sie es nicht. Die Namenlosen, die alles
andere als Götter sind, sondern mächtige dunkle Wesen, haben
in Atuan ihren machtvollsten Ort und lassen nicht zu, wenn man sie hintergeht.
Ein gutes Buch über
Persönlichkeitsentwicklung, Machtkämpfe und Religion; spannend
zu lesen. Arha wächst einem schnell ans Herz, der kleine Logikfehler,
dass sie allein ihren Kindernamen Tenar als „wirklichen“ Namen trägt,
während andere in Erdsee als Jugendliche erst ihren wirklichen Namen
erfahren, verzeiht man dem Buch als Nebensächlichkeit. Arhas Reifeprozess
ist sehr gut geschildert. In diesem Buch spielen nicht große magische
Taten die Hauptrolle, sondern Personen, die sich inmitten von Magie menschlich
verhalten. Sehr schön zu lesen.
© Karin Sittenauer,
2005
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