Kay, Guy Gavriel


Die Fürsten des Nordens
Guy G. Kay
Gebundene Ausgabe: 551 Seiten 
Verlag: Piper (März 2007) 
Sprache: Deutsch 
ISBN-10: 3-492-700-98-5 
ISBN-13: 978-3-492-70098-6 

 
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The Last Light of the Sun 
Guy Gavriel Kay
Gebundene Ausgabe: 400 Seiten 
Verlag: Simon & Schuster Ltd; 
Auflage: New Ed (5. April 2004) 
Sprache: Englisch 
ISBN-10: 0743252489 
ISBN-13: 978-0743252485 
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„Die Fürsten des Nordens“

Die Erlinger greifen wieder an. Nach einer Generation Frieden plündern sie nicht nur an der Küste, die sie mit ihren Drachschiffen anlaufen, sondern dringen selbst ins Landesinnere vor. 

Auf einem Gutshof in Cyngael muss man erkennen, dass es dabei nicht um Schätze, sondern um Rache geht. Bei diesem ersten Angriff verliert Dai seinen Bruder Alun. Vielleicht könnte er damit leben, dass Alun tot ist, doch nicht damit, dass die Feen ihn zu sich geholt haben. Während die Leiche blutig auf dem Boden liegt, reitet Alun als neuer Gefährte der Feenkönigin durch den Wald. Was wird aus ihm werden? Wie kann man noch an Jad glauben, wenn man dies gesehen hat? 

Dai ist verbittert, verwirrt. Deshalb nimmt ihn der Hohepriester Ceinion mit auf die Reise zu den benachbarten Anglycyn. Auch sie müssen von den Angriffen der Erlinger erfahren, sich vorbereiten. Es müssen Bündnisse geschlossen werden, um die Erlinger zurückzuschlagen und für immer fern zu halten.

In diesem Buch geht es um die Zeit der Wikinger und ihre Überfälle auf die britischen Inseln. Diese Geschichte wurde in eine Fantasy-Welt übertragen, wie Guy Gavriel Kay es stets macht und sehr gut beherrscht. Berichtet wird zugleich aus der Sicht von Erlingern (Wikinger) als auch aus der Sicht der angegriffenen Völker.

„Die Fürsten des Nordens“ ist selbstverständlich ein gutes Buch und durchaus empfehlenswert. Das möchte ich vorausschicken, denn im Folgenden werde ich einiges aufzählen, das mir nicht gefallen hat.

Am auffälligsten und ärgerlichsten waren die Übersetzungs- oder Korrekturfehler. Ich will hier keine Schuldzuweisung betreiben, denn mir ist vollkommen bewusst, dass jeder Fehler macht. Deshalb gibt es Korrekturleser. Oder gibt es die beim Piper-Verlag nicht? Bis ich bei Seite 100 angelangt war, war ich einigermaßen wütend. Das stört selbstverständlich, wenn ein Leser sich in ein Buch versenken will. Nachdem mir dieser Autor wichtig ist, nehme ich mir die Zeit, und zeige eine Gegenüberstellung von Fehlern, die mich besonders gestört haben:

S. 37 Original: Dai blinked again.

S. 49 Übersetzung: Wieder war Dai starr vor Staunen.

Im Grunde genommen wäre dieser Unterschied nicht so störend, wenn mir so etwas nicht auffallen würde. Nur, ich schreibe, lese und überarbeite viele Texte, deshalb sehe ich solche Sinnfehler. Vermutlich nicht alle, aber einige. Also saß ich da und fragte mich: „Wann war er denn schon einmal starr vor Staunen?“ War er nicht. Zuvor blinzelte er ja nur, sogar korrekt übersetzt.

Der nächste, wirklich störende Fehler gleich auf der folgenden Seite:

S. 37 Original: He sheathed the knife hurriedly and ...

S. 50 Übersetzung: Hastig schob er sein Schwert in die Scheide, ...

Wieder stockte ich beim Lesen. Welches Schwert? Der Gute lag hinter einem Busch auf dem Bauch, dreht sich erschrocken herum. Wer hat da ein Schwert in der Hand und steckt es in die Scheide? Bleibt er nicht zwangsläufig damit in irgendwelchen Ästen hängen? Tat er nicht. Es war ein Messer, eines, das er vorher tatsächlich gezogen hatte, auch in der Übersetzung.

S. 82 Original: He had a sword, no helmet (on the ground, in mud, beside Dai), no torch, ...

S. 98 Übersetzung: Er hatte weder Schwert noch Helm (beides lag neben Dai auf dem Boden im Schlamm) und auch keine Fackel, ...

Dieser Fehler fiel nicht sofort auf. Erst später, als Dai, der kein Schwert hat, eines zieht. Da erst blätterte ich zurück und erkannte die Konsequenz in der Fehlübersetzung. Nicht nur, dass man ihm kein Schwert zugesteht, man übersetz auch noch den Text in der Klammersetzung so, dass es in sich Sinn ergibt. Nur in der Fortführung der Handlung nicht. Wenn schon falsch, dann richtig. – Wie gesagt, bis Seite 100 war ich einigermaßen wütend.

Inzwischen störte mich auch die Wandlung des Tons. Also nahm ich mir die Zeit und sah Herr Kays andere Bücher durch und entdeckte erstaunt, dass diese von der gleichen Übersetzerin übersetzt worden waren. Weshalb erlaubte sie sich in früheren Werken, seinem Ton so treu wie möglich zu bleiben und hier nicht mehr? Weshalb wurde seine eigene Stimme derart glattpoliert? Wer Herr Kays Bücher liebt, liebt sie auch wegen seiner Art zu schreiben, seiner Art, mit einer Formulierung das Herz zu treffen. Hier ein Beispiel für poliertes Übersetzen:

S. 87 Original: „This is just water, just a wood.“

S. 104 Übersetzung: „Dies ist nur ein Tümpel im Wald.“

Man mag mich für sehr pingelig halten, doch ein wortgetreues „Dies ist nur Wasser, nur ein Wald“ hätte weit mehr in diese Szene und zur Wichtigkeit der Aussage gepasst, hätte weit mehr ins Herz getroffen.

Noch ein letzter Fehler, danach nahm ich mir nicht mehr die Zeit, sie aufzuschreiben und endlich hatte mich die Geschichte doch genug gefesselt, um nicht mehr darauf achten zu wollen:

S. 87 Original: And only then did Ceinion see the boy on his horse, motionless in the water, and understand.

S. 104 Übersetzung: Erst jetzt bemerkte Ceinion den Jungen, der auf seinem Pferd reglos im Wasser stand. Und er begriff.

Ich glaubte nicht, dass Herr Kay tatsächlich Dai auf seinem Pferd stehen ließ. Tat er auch nicht. Welch ein Glück. Es hätte sicher reichlich lächerlich gewirkt. Dai, der gerade ein Schwert fallen gelassen hatte (das er ja nicht hat), starr und entsetzt, steht auf dem Pferd, anstatt zu sitzen.
Genug damit. 
Guy Gavriel Kay ist kein schlampiger Autor, dass so manchem Leser der deutschen Übersetzung der Eindruck erweckt wird, er wäre es, finde ich sehr bedauerlich und vor allem unnötig. Für knapp 20,- Euro hätte ich ordentlichere Arbeit erwartet.

Zurück zum Buch an sich. Guy Gavriel Kay gehört zu den Autoren, deren Arbeit ich besonders schätze. Seine Werke „Reise nach Sarantium“, „Die Löwen von alRassan“ und „Tigana“ gehören sicherlich zu dem Besten, das im Genre Fantasy bisher erschienen ist. „Die Fürsten des Norden“ reicht nicht an diese früheren Werke heran.

Die besondere Stärke von Herr Kay ist (neben der umfassenden Beschreibung von Welt, Intrigen, Lebensart) seine Art, den Leser in die Charaktere schlüpfen zu lassen (selbst in Nebenpersonen), den Leser tief empfinden zu machen, was in dem momentanen Perspektivträger vor sich geht, was dieser fühlt, erleidet, erträumt und tut. 
Bisher verwendete er dafür meist die personale Erzählform (aus der Sicht der jeweiligen Person) und nur sehr selten, wenn überhaupt, kurze Einschübe eines auktorialen Erzählers (ein allwissender Erzähler spricht den Leser an und blickt gleichzeitig in alle Figuren).

Die personale Erzählform lässt den Leser nah an den Charakter herankommen. Die auktoriale Erzählform lässt einen darüber stehen. In „Die Fürsten des Nordens“ bedient sich Herr Kay viel zu häufig letzterer Form. Im vorherigen Werk „Reise nach Sarantium“ waren es noch die Charaktere, die philosophische Gedanken hatten. Gerade durch ihre Art zu denken und zu fühlen, kam man ihnen näher. – In diesem neueren Werk verschenkt Herr Kay diese Möglichkeit. Seine Philosophie serviert er als allwissender Erzähler dem Leser, um erst danach wieder zur eigentlichen Handlung zurückzukehren.

Zugleich beschreibt er manche Handlungen aus völlig neuen, unwichtigen Perspektiven. Da taucht plötzlich ein Müller auf, der einen Kampf beobachtet. Danach kommt er nie wieder vor. Für die Handlung ist dieser Müller derart unwichtig, dass seine Erwähnung herausreißt, anstatt zu fesseln. Gut, er bringt einem die beschriebene Welt in ihrer Gänze näher. Das wäre auch möglich gewesen, indem die Szene aus der Sicht des Protagonisten erzählt worden wäre. Dann hätte man diesem auch etwas näher kommen können. Dai wäre durchaus ein Charakter, den man lieben lernen könnte, wenn man nur herankäme. Das verwehrte mir der Autor leider. Dadurch bietet er keine Identifikationsfigur, der Leser bleibt relativ emotionslos außen vor. Die Handlung interessiert nicht so, wie es Herr Kay bei anderen Werken gelungen ist.

Und das führte bei mir, die ich ja viel schreibe, zu mehr Fragen als Antworten: 

Wenn ein Autor sich weiterentwickelt, ab wann entwickelt er sich zu weit?

Wenn man einen Autor lobt, historische Welten perfekt wiederzugeben, kommt es dann vor, dass der Autor sich zu sehr auf diese ihm zugeschriebene Fähigkeit fixiert und andere einfach vergisst?

Wie kann ein Autor selbst noch erkennen, wie seine Bücher beim Leser ankommen? 

Schreibt G.G. Kay inzwischen zu viel, zu schnell?

Wie findet man als Autor den richtigen Weg zwischen Kunst und Können und Unterhaltung?

Und hier, voller Fragen, komme ich endlich zum Schluss. „Die Fürsten des Nordens“ ist ein gutes Buch (wer der englischen Sprache mächtig ist, sollte es unbedingt im Original lesen!), doch es kommt nicht an die bereits erwähnten drei besonders guten früheren Werke des Autors heran. Allerdings schreibt Guy Gavriel Kay gut genug, dass auch schwächere Werke immer noch lesenswert, wenn auch nicht herausragend, sind. 

© Karin Sittenauer, 2007
 


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