Geraldine
McCaughrean wurde am 06. Juni 1951 in Enfield
geboren, wuchs in London auf und studierte Lehramt. Zuerst arbeitete
sie als
Redakteuerin bei einem Zeitschriftenverlag. Seit fast zwanzig Jahren
ist sie
als freiberufliche Schriftstellerin tätig.
Inzwischen hat sie Theaterstücke und über 130 Bücher
geschrieben, darunter auch sechs Novellen für Erwachsene und die
Fortsetzung zu
„Peter Pan“. Ihr kinderliterarisches Werk wurde mehrfach ausgezeichnet.
Sie
gehört zu den renommiertesten britischen Autorinnen.
Mit ihrem Gatten und ihrer Tochter lebt sie in Berkshire.
Weiße
Finsternis
Gebundene Ausgabe
- 336 Seiten
cbj Verlag
Erscheinungsdatum: 2007
ISBN-10: 3570132706
ISBN-13: 978-3570132708
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Weiße
Finsternis
An dem
Tag, als ihr Vater starb, kam Titus in Symones Kopf.
Selbstverständlich hatte sie schon von ihm gelesen, denn die
vierzehnjährige Sym
liebt die Antarktis und liest jedes Buch darüber, doch jetzt war
er da.
Laurence „Titus“ Oates, der vor neunzig Jahren auf einer Expedition in
der
Antarktis gestorben ist, lebt in ihrem Kopf wieder. Sie unterhalten
sich
miteinander und sind die besten Freunde.
Als
Onkel Victor, Syms exzentrischer Onkel, sie mit in die
Antarktis nimmt, ist sie begeistert. Etwas stutzig macht es sie
allerdings
schon, dass er den Ausweis der Mutter gestohlen hat, so dass diese
nicht
mitfahren kann. Und wo hat er plötzlich das viele Geld her, mit
dem er ihre
Ausrüstung bezahlt? Warum wirft er ihren Koffer mit ihren alten
Kleidern weg
und behauptet, sie würde ihn nicht mehr brauchen? Was hat er vor?
Doch Onkel
Victor war immer für sie da, nach dem Tod des Vaters hat er ihnen
geholfen, hat
sogar die Beerdigung bezahlt und er ist so klug – also verdrängt
sie ihre
Zweifel und fährt mit ihm. Selbst in der Antarktis, im
Touristencamp, als alle
krank werden, bringt sie das nicht mit ihrem netten Onkel in
Verbindung. Das
Flugzeug, mit dem die kranken Touristen abgeholt werden sollen, geht in
Flammen
auf und explodiert. Ein Mann verunglückt tödlich. Jetzt
sitzen sie alle im
ewigen Eis fest.
Onkel
Victor, mehr und mehr unberechenbar und besessen, stiehlt
gemeinsam mit Manfred Bruch (einem weiteren Expeditionsteilnehmer) und
dessen
Sohn Sigurd einen Hägglund, beladet das Geländefahrzeug mit
Treibstoff und
Lebensmitteln. Zu viert machen sie sich auf ins ewige Eis, weg vom
Camp, ab in
die Wildnis, um einem wahnwitzigen Traum von Onkel Victor zu folgen.
Doch das
Eis ist gefährlich und am Ende muss Sym ganz allein mit Titus in
unvorstellbarer Kälte um ihr Überleben kämpfen.
Der Roman „Weiße Finsternis“ beginnt äußerst
erfrischend
mit:
„Ich bin
schon eine ganze Weile in Titus Oates verliebt –
was natürlich albern ist, denn er ist seit neunzig Jahren tot.
Aber sieh es mal
so: In neunzig Jahren werde ich auch tot sein und dann spielt der
Altersunterschied keine Rolle mehr.“
In
diesem lockeren Ton geht es auch weiter. Die
Ich-Erzählerin Symone, von allen Sym genannt, erzählt was sie
erlebt. Und das
reißt sofort mit, langweilt keinen Augenblick. Zuerst ist da ein
normales Leben
in einer normalen Stadt mit normalen Problemen in der Schule und dann
entwickelt es sich zu einem Abenteuerroman, der mehr als nur
oberflächliche
Abenteuer und eine Handlung bietet. Symones Kindheitserlebnisse werden
neu
beleuchtet und erschreckend anders wahrgenommen, als bisher. In
Gesprächen mit
Titus wird seine Sicht der Dinge gezeigt und wird – was mir
persönlich sehr gut
gefallen hat – diese historische Person vorgestellt. Wie fühlte er
sich, als er
zum Sterben ins Eis kroch, nur um seine Gefährten nicht
aufzuhalten?
Erschütternd gut geschrieben und dabei gut recherchiert.
Die
dazwischengeschobenen Rückblicke an Syms Schulzeit sind
bewegend. In lockerem Erzählton wird einem der alltägliche
Horror von
Schulerlebnissen erzählt, wie sie jedem passieren können.
Streiche unter
Mitschülern, Ausgrenzung und Spott. Sym leidet darunter, nicht
dazuzugehören
und weiß gleichzeitig, dass sie gar nicht wie die anderen
Mädchen sein will.
Diese Rückblicke sind keinen Moment langweilig oder zu lang. Sie
haben ihren
Sinn, erklären und verdeutlichen Syms momentane Selbstzweifel und
reflektieren,
wie verquer durch coole Sprüche manchmal Sexualität
vermittelt wird.
Der
Roman ist sehr gut aufgebaut, schön und fesselnd zu
lesen. Schon von der ersten Seite an kann man sich mit Sym
identifizieren. Die
Spannung steigt mehr und mehr, dazu die Zweifel einer
Vierzehnjährigen, ihre
Entwicklung durch die Krisensituation. Es gibt Informationen über
das ewige
Eis, Selbstüberwindung, Humor, überraschende und
erschütternde Enthüllungen,
Tiefe. Alles, was einen Roman gut und fesselnd macht.
Einzig
den leicht nervigen Spruch: „Denk mal drüber nach,
Sym“, hätte die Autorin nur Onkel Victor vorbehalten sollen. Als
einmal
ausgerechnet Titus dies sagt, klingt es einfach falsch. Im großen
Ganzen ist
das allerdings nur eine Kleinigkeit, die wirklich nicht vom Kauf des
Buches
abhalten soll.
Rundum
gelungen und absolut lesenswert. Meiner Meinung nach
für ein Lesealter ab 14 geeignet. Ein Buch, das in jedem Buchladen
stehen und beworben
werden sollte.
(c)
Karin Sittenauer, 2007
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