Bacshas


Zweiter Teil der Erzählung von Saraphant dem Narr, dem ich vergangenen Sommer im Wirtshaus "Zum kleinen Drachen" in Miriath begegnete:

Die Zwerge hatten mich vergessen, im Kerker zurückgelassen. Die Einsamkeit in der dunklen Zelle ließ mich Amok laufen. Ich rannte gegen Wände, schlug mir Kopf und Beine auf. Meine Hände waren vom verzweifelten und ebenso sinnlosen Kratzen an den Wänden blutig. Mir fällt es schwer zu unterscheiden, ob mich Hunger, Durst, Dunkelheit oder Einsamkeit mehr bedrückten. Ich glaube, es war der Durst, denn er überfiel mich als Erstes. Dunkelheit kannte ich von der Minenarbeit und Hunger hatte meine Kindheit bestimmt. Der Einsamkeit suchte ich durch Selbstgespräche zu entfliehen.

Nach meinem Amoklauf blieb ich liegen, danach begann ich die Feuchtigkeit von den Wänden zu lecken und auf allen Vieren nach irgendwelchem Getier zu suchen. Ein paar Käfer fanden so den Weg in meinen Magen. Hunger lässt einen so manchen Ekel überwinden. In einem Zustand zwischen Wachen und Schlafen hörte ich etwas, das ich zunächst für bloßes Wunschdenken hielt. Vor der Kerkertüre blubberte Wasser. 

Durst und Hunger sind schlechte Gefährten bei bedächtigem Handeln. So stürzte ich die wenigen Schritte zur Türe. Man wollte mir zu trinken geben! Der Riegel wurde zurückgeschoben, die Türe aufgestoßen. Ich war schwach, durch den Stoß taumelte ich zurück und fand an der Zellenwand Halt. 

Zwei kleine Erdgeister stürmten herein. Sie waren etwa drei Fuß groß, reichten mir also nicht einmal bis zum Gürtel. Glucksend stürmten sie in die hinterste Ecke, warfen die Fackel zur Seite, so dass sie abseits liegend schwach weiter brannte, rissen ihre Umhänge von sich und legten sich darauf. 

Dieses Knäuel Haut gab immer noch ein Geräusch wie von einer Quelle von sich und ich begriff, dass sie auf diese Art lachten. Noch waren sie so miteinander beschäftigt, dass sie mich nicht bemerkten. Ich selbst aber sah zwei Dinge: die Türe war offen und diese Wesen waren dick. Sie mussten zu essen haben. Leise schlich ich aus meiner Zelle und wartete. Als sie wieder kamen, folgte ich ihnen in sicherem Abstand. Die zwei Erdgnome stiegen abwärts, in kleinen Winkeln und Tunneln sah ich Matten liegen und Brot. Meine Rettung!

Schließlich verschwanden meine unfreiwilligen Führer in einem abgelegenen, stillgelegten, niedrigen Schacht. Ich schlich näher. Dort saßen die kleinen Bacshas und hüteten die Schätze der Zwerge. Sie verfügten nicht über die Zielstrebigkeit, selbst Schätze zu erwerben, doch die Diamanten und anderen Edelsteine, Gold und Silber der Zwerge beschützten sie und ordneten sie sorgsam nach Qualität und Wert.

Es war ihre liebste Beschäftigung. Die Zwerge hätten keine besseren, sorgfältigeren Schatzmeister finden können. Auf Grund der zurückgezogenen Lebensart der Bacshas hatte noch niemals ein Eindringling in die unterirdischen Zwergenstädte die sagenhafte Schätze entdeckt. 

In den Tagen, in denen ich mich von den Nahrungsmitteln der Bacshas ernährte, um wieder zu Kräften zu kommen, suchte ich die unterirdischen Gänge nach meinem Freund Pargin ab. Leider fand ich keine Spur von ihm. Schließlich kehrte ich um, folgte wieder einmal dem wasserähnlichen Lachen der Erdgnome (in der Tat lachten sie viel, feierten gerne Feste und erfüllten mit ihrem dunklen, windartigen Gesang die Gänge), als sich das Glucksen zu einem bedrohlichen Brausen steigerte. Vorsichtig näherte ich mich und sah die Erdgnome über einem Bündel blutigen Stoffes stehen. In ihren Händen hielten sie Speere und zu Dolchen geschliffene Diamanten. Der Tote war Pargin, dürr und blutig.

"Nein!", schrie ich auf und offenbarte meine Anwesenheit. "Wie konntet ihr das tun?" 

Ich stürzte auf die Knie, mein Gesicht verbarg ich in den Händen. Unvermitteltes Schluchzen übermannte mich. Das war nun aus uns übermütigen Abenteurern geworden. Jemand berührte mich sanft an der Schulter. Als ich aufblickte sah ich dem Anführer der Bacshas in die schwarzen Augen.

"Seit vielen Monddrehungen lebst du in unserer Nähe, trinkst unser Wasser und isst unser Brot", sagte er in meiner Sprache. "Niemals hast du die Schätze der Zwerge berührt. Er hat es getan. Wir Bacshas kämpfen nicht gerne, denn mehr als alles andere begehren wir Liebe, Schönheit und Genuss. Doch wir können uns wehren und niemand darf Hand an die Schätze legen. Sie zu schützen ist unsere einzige Aufgabe."

Mich schüttelte noch immer heftiges Schluchzen. Ich konnte nichts sagen. So fuhr der Erdgnom in der für ihn ungewohnten Sprache fort: 

"Levuga, der Herr allen Wohlstandes und unser einziger Gott, hat uns zu diesem Zwecke erschaffen. Ihm verdanken wir unser Dasein. Einst kam Levuga nach Tir Usheen, um die Qualität der Diamantenminen zu überprüfen. Wohlgefällig erkannte er, dass die Edelsteine einzigartig in ihrer Reinheit sind. In seiner Begeisterung meißelte er nach seinem Bilde zwei Gestalten aus dem Fels, die er als Hüter der Schätze in Tir Usheen sehen wollte. Dies waren unsere ersten Vorfahren. Noch heute warten wir auf die Rückkehr des einzigen, wahren Gottes. Wir errichten ihm zu Ehren Gebetsnischen und wir erfüllen seinen Auftrag bis zu unserem Ende oder dem Tod aller Räuber."

Als ich wieder sprechen konnte, antwortete ich: "Pargin war mein Freund. Vermutlich hatte er nur Durst und nahm an, eine Quelle zu hören."

Mild lächelnd half der Bacsha mir auf und sprach: "Ich führe dich hinaus. Du sollst wieder nach Hause gehen."

Durch geheime Gänge geleitete er mich aus der Zwergenstadt. So erkannte ich, dass Bacshas mehr ihrem Gott als den Zwergen dienen. Freundlich und hilfsbereit sind sie, doch grausam und erbarmungslos, wenn jemand den Schätzen des Gottes Levuga zu nahe kommt.
 

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