Erzählung von
Saraphant dem Narr, dem ich vergangenen Sommer im Wirtshaus "Zum kleinen
Drachen" in Miriath begegnete:
Von Zwergen wollt Ihr
hören? Nun, sie spielen in Tir Usheen keine große Rolle. Bisher
habe ich keine einzige Geschichte gehört, in der sie vorkommen. Aber
gut, es gibt sie, also sollt Ihr davon hören. Viele
Leute nehmen an, dass die Zwerge nur in den Bergen von Chaltais leben,
das stimmt zum Teil und auch ich war einst unwissend. Die wenigen Händler
der Zwerge, die herabsteigen und sich den Menschen nähern, lassen
uns gerne in diesem Glauben.
Mittlerweile kann ich
ihre Anwesenheit spüren und ich habe sie tief in den Höhlen der
Berge von Miriath ebenso erfühlt wie in denen von Tiredachan. Doch
ich gebe zu, dass sich dort nicht ihre wirklichen Behausungen befinden.
Diese Berge durchkämmen sie heimlich, wenn sie nach neuen Minen aus
sind und dort bleiben sie nur kurz, gerade so lange, wie sie Schätze
gewinnen können, ohne entdeckt zu werden.
Mein Name ist Saraphant,
heute nennt man micht den Narren, doch dies war nicht immer so. Einst war
ich jung, abenteuerlustig und gelangweilt. Ja, ich gestehe, die schwere
Arbeit in den Goldminen von Miriath ödete mich an. Tag für Tag
in die Dunkelheit hinabzusteigen, im fahlen Licht der Fackeln zu graben
und hinter mir einen Aufseher brüllen zu hören, dass ich schneller
sein sollte, um mehr Gold ans Tageslicht zu fördern. Es war eine Sklavenarbeit.
Eines Morgens, die
ganze Nacht hindurch hatten Freunde und ich meinen achtzehnten Geburtstag
gefeiert, beschloss ich, dass nach zehn Jahren Minenarbeit Schluss sein
musste. Nie wieder wollte ich unter Tage arbeiten. Von nun an sollten Wind
und Sonne, Regen und Schnee meine Begleiter sein. Drei meiner besten Freunde
waren sofort mit bei der Sache. Wir zogen aus, um Abenteuer zu erleben.
Wo konnte man das besser, so dachten wir, als in den unerforschten Ländern
jenseits der Berge von Chaltais? Für uns bot sich selbstredend der
Miriath-Pass über die Berge an, liegt er doch so gut wie vor unserer
Haustüre.
Mit Messern und Spitzhacken
bewaffnet zogen wir aus. Andere Waffen konnten wir uns nicht leisten, Pferde
auch nicht, doch das störte uns wenig. Unterwegs legten wir Schlingen,
um Hasen zu erbeuten. Es ging uns gut. Nicht lange und wir erreichten die
Berge von Chaltais. Den Miriath-Pass fanden wir nicht, wurde er doch lange
nicht mehr benutzt, so dass keine Straße zu erkennen war. Also erklommen
wir die ersten Vorberge, drangen tiefer ins Gebirge ein. Abenteuer konnten
wir auch hier erleben!
So sollte es auch kommen.
Eines Nachts überfielen uns die Zwerge. Eine Übermacht, die kaum
Gegenwehr gestattete. Einer meiner Freunde starb noch am Lagerplatz, einer
auf dem Weg in die Zwergenhöhlen. Die Toten begruben sie nicht
einmal, sondern ließen sie als Futter für wilde Tiere liegen.
Pargin und mich zerrte man in die Stollen. Nach mehreren Windungen in dem
engen Gang erreichten wir einen großen, dunklen Saal. An den Seitenwänden,
schon fast unter der vollkommen geraden und polierten Decke, gab es rechteckige
Lüftungsschlitze, durch die wenig Licht fiel. Dieses wurde noch von
dem schmalen Wehrgang gedämpft, der darunter verlief und auf dem Wächter
standen. Offensichtlich war dies von Außen betrachtet ein Berggipfel,
von dem aus sie die Umgebung beobachten konnten.
Pargin
zerrten die Zwerge nach links in einen der vielen Stollen, mich in die
entgegengesetzte Richtung. Tief im Erdinneren stießen sie mich in
eine Zelle. Hass und Schmerz erfüllten all mein Denken und Fluchtpläne.
Daran jedoch war nicht zu denken. Mehrmals holte man mich ab. Von vier
Zwergen umringt wurde ich in den großen Saal geführt. Diesen
einen Weg des unendlichen Labyrinths begann ich langsam zu überblicken,
jedoch nicht vollständig, wie sich später herausstellen sollte.
Die Zwerge reichten
mir von der Größe her etwa bis zur Brust und doch wusste ich
nun, wie kräftig sie waren. Der Gedanke an meinen Freund ließ
mich nicht los. Was war mit Pargin geschehen? Ich sah ihn nicht. Stattdessen
musste ich Fragen beantworten, die sie umsichtigerweise in meiner Muttersprache
stellten. Untereinander sprachen die Zwerge mit mir unbekannten Worten,
ich nehme an, dass es sich dabei um einen Dialekt der alten, sagenhaften
Sprache (Gatain) handelte.
Ich versuchte die Vorwürfe
zu entkräften, die die Zwerge gegen mich erhoben: mit Spitzhacken
waren wir hier erschienen, demnach hätten wir geplant, ihre Schätze
zu stehlen. Dass unser Sinn nie danach getrachtet hatte, glaubten sie nicht.
Die Sehnsucht nach Abenteuern ist ihnen fremd. Sie bevorzugen ein geregeltes,
sicheres Leben.
Auch Frauen und Kinder
waren bei den Verhören anwesend. In der Tat glich es einem Schauspiel
zur Belustigung des kleinen Volkes. Die Zwerge an sich schienen große
Schätze zu besitzen, schmückten sich jedoch kaum damit. Vielmehr
wirkten sie wie kräftige, ausdauernde Minenarbeiter - wie ich selbst.
Blasse Haut und schwielige Hände. Nach einiger Zeit, als meine Furcht
nicht geringer geworden war, mein Geist sich jedoch an die Todesangst gewöhnte,
begann ich meine Umgebung deutlicher wahr zu nehmen.
Wundervolle, gemeißelte
Bildnisse von Edelsteinen, Muscheln und Tierskeletten zierten die Wände.
Die Felsen wirkten dadurch wie riesengroße Versteinerungen. Solide,
künstlerische Handarbeit. In ihrer Schlichtheit ein hervorragendes
Werk großer Meister. Diese rohen Hände der kleinen, misstrauischen
Zwerge konnten Wunder vollbringen. Während der Verhöre beobachtete
ich auch, wie liebevoll die Zwerge mit den Kindern umgingen. Und am anderen
Ende des Saales hörte ich Musik, auf Flöten und Trommeln gespielt,
dumpf und eindringlich. Sie tanzten und lachten, spielten und aßen
zusammen. Mir selbst knurrte der Magen.
Mein neugieriges Starren
wurde hart bestraft. Erneut schaffte man mich in meine Zelle. Mit einer
tiefklingenden Zwergenstimme sagte ein Wärter: "Hier sollst du sterben,
Mensch!"
Von da an wurde ich
nicht mehr geholt und kann nichts mehr berichten, außer der Tatsache,
dass Zwerge ihre unterirdische Behausung mit Bacshas teilen. Wie ich feststellte,
sind dies ihre Schatzmeister.
Ja, als erster Mensch
sah ich, Saraphant der Abenteurer, Bacshas. |